Umstrittener Steuertrick einiger globaler Konzerne: Double Irish, Singapore Sandwich
Wie weit geht Temu, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen? Bereits Anfang diesen Jahres machte die DSTG darauf aufmerksam, dass Temu mutmaßlich das IOSS-Verfahren austrickst und teils Zollgebühren sowie Mehrwertsteuer umgeht. Nun stattete DSTG-Bundesvorsitzender Florian Köbler dem Firmensitz von Temu in Irland einen denkwürdigen Besuch ab – und stellte erstaunt fest, dass der irische Sitz eines Weltkonzerns kaum mehr als eine Briefkastenfirma zu sein scheint.
„Temu hat seinen Firmensitz im Steuerparadies Irland. Doch hier gibt’s kaum Beschäftigte. Der Sitz eines Weltkonzerns scheint kaum mehr als eine Briefkastenfirma zu sein.”
DSTG-Bundesvorsitzender Florian Köbler.
Zitat aus SWR: Temu – Ramsch oder Revolution (18.12.2024)
Dahinter steckt mutmaßlich eine umstrittene Methode der Steuervermeidung, bekannt als Double Irish, Singapore Sandwich. Sie gilt als eine Weiterentwicklung der früher verwendeten Methode Double Irish with a Dutch Sandwich. Wir erklären den hoch umstrittenen Steuertrick.
Aggressive Steuergestaltung: Einige globale Konzerne verschaffen sich Wettbewerbsvorteile
Globale Online-Riesen wie Google, Amazon, Apple, Meta, Microsoft stehen seit langem in der öffentlichen Kritik, sich umstrittener Steuertricks zu bedienen, um die Steuerlast auf Milliardengewinne drastisch zu reduzieren. Den europäischen Staaten entstehen dadurch immense Steuerausfälle.
Auch die augenscheinliche Firmenstruktur von Temu deutet auf die Anwendung von Steuertricks hin und zwar auf die Methode Double Irish, Singapore Sandwich, die Steuervorteile der Steueroasen Irland, Singapur und Cayman Islands kombiniert.
Der Steuertrick Double Irish, Singapore Sandwich einfach erklärt
Es überrascht kaum, dass der Steuertrick Double Irisch, Singapore Sandwich hochkomplex ist. Wir werden die komplexe Struktur an dieser Stelle in stark vereinfachter Form erklären. Werfen wir dazu zuerst einen Blick auf die individuellen Steuervorteile der Steueroasen Irland, Singapur und Caymen Islands.
➔ Die Vorteile der einzelnen Steueroasen im Detail
Irland: Das Niedrigsteuerland bietet einen regulären Unternehmenssteuersatz von nur 12,5 % und einen Höchstsatz von 15 % ab einem Jahresumsatz von 750 Mio. Euro. Außerdem gilt die Sonderregelung, dass nur Unternehmen mit aktiver Geschäftsführung in Irland besteuert werden.
Singapur: Singapur lockt damit, dass ausländische Einkünfte weitgehend steuerfrei sind. Auf Dividenden einer in Singapur ansässigen Tochtergesellschaft oder einer Beteiligung im Rahmen einer anderen Unternehmensstruktur wird keine Quellensteuer erhoben.
Cayman Islands: In der Steueroase fallen keine Steuern an.
Infografik: Die Steueroasen Irland, Singapur und Caymen Islands im Zusammenspiel
![Infografik - Double Irish Singapore Sandwich_3](https://floriankoebler.de/wp-content/uploads/2024/12/Infografik-Double-Irish-Singapore-Sandwich_3.png)
So funktioniert die Methode Double Irish, Singapore Sandwich
Um die Steuerlast radikal zu minimieren, kombiniert Temu mutmaßlich die steuerlichen Vorteile der einzelnen beteiligten Staaten und geltende Doppelbesteuerungsabkommen. Die Recherche deutet auf folgende Unternehmensstruktur hin:
1. Steuertrick: Registrierung in Irland, Firmensitz Cayman Islands
Temu ist eine Marke. Der Mutterkonzern ist die PDD Holding Inc. Registriert ist die mutmaßliche Briefkastenfirma in Irland. Der Clou: Kapitalgesellschaften werden in Irland nur dann besteuert, wenn auch eine aktive Geschäftsführung in Irland ansässig ist. Dieser ist daher laut dem Geschäftsbericht der PDD Holding Inc. in der Steueroase Cayman Islands angesiedelt, wo keine Unternehmenssteuer erhoben wird.
2. Steuertrick: Minimaler irischer Steuersatz
Die Tochtergesellschaft Whaleco Technology Limited ist ebenfalls in Irland registriert. Sie nimmt die Gewinne für den Betrieb der TEMU-Plattform in Europa ein. Der Vorteil: Der irische Steuersatz beträgt nur 12,5 %.
3. Steuertrick: Zu versteuernden Gewinn schmälern
Um den zu versteuernden Gewinn der Whaleco Technology Limited zu schmälern, wurde eine Zwischengesellschaft eingerichtet: Die Elementary Innovation Pte. Ltd. in Singapur, deren Firmensitz ebenfalls auf eine Briefkastenfirma hindeutet. Sie hält die Rechte an der Temu App und Website. Die Whaleco Technology Limited zahlt mutmaßlich Gebühren an die Zwischengesellschaft für die Nutzung der APP und Webseite – der zu versteuernde Gewinn in Irland verringert sich dadurch enorm. Zwischen Irland und Singapur existiert ein Doppelbesteuerungsabkommen, das vorsieht, Zahlungen für Nutzungsrechte einem Quellensteuersatz von maximal 5% zu unterwerfen.
4. Steuertrick: Quellensteuer auf Lizenzgebühren vermeiden
Um die Gewinne möglichst quellensteuerfrei auf die Cayman Islands zu transferieren, wurde die Zwischengesellschaft Elementary Innovation Pte. Ltd. in der Steueroase Singapur angesiedelt. Hier fallen keine Quellensteuern für in Singapur ansässige Tochtergesellschaften an, außerdem sind die ausländischen Einkünfte höchstwahrscheinlich steuerfrei. Sprich: Die Gewinne werden vermutlich ohne Steuerabzüge mitgenommen bzw. könnten abzugsfrei weiter transferiert werden.
“Steuergerechtigkeit ist kein Wunschkonzert – auch global agierende Konzerne müssen ihren fairen Beitrag leisten!“
DSTG-Bundesvorsitzender Florian Köbler.
Legalität der Methode Double Irish, Singapore Sandwich
Die Methode Double Irish, Singapore Sandwich ist moralisch höchst fragwürdig, da der effektive Steuersatz multinationale Konzerne extrem gedrückt wird. Dies schadet Europa enorm: Einerseits entsteht ein Wettbewerbsvorteil zu regional oder national operierenden Unternehmen – und zu all jenen, die sich moralisch korrekt verhalten. Andererseits entgehen den europäischen Staaten durch den Trick Milliarden an dringend benötigten Steuereinnahmen.
Die Methode zur aggressiven Steuergestaltung ist juristisch umstritten, es stellt sich die Frage des Gestaltungsmissbrauchs. Das Vorgängermodell Double Irish with a Dutch Sandwich wurde 2020 bereits abgeschafft.
ℹ Hintergrundwissen:
Betrugsverdacht: So umgeht Temu Einfuhrzölle & Mehrwertsteuer im IOSS-Verfahren
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