Kassenbetrug: Wie die Maßnahmen im Koalitionsvertrag zu bewerten sind
Steuergerechtigkeit beginnt an der Kasse – und endet dort, wo Trickserei zum Alltag wird.
29.April 2025
Der Schaden durch Kassenbetrug an der Gesellschaft ist gigantisch: Schätzungsweise fehlen 15 – 20 Milliarden Euro an Steuergeldern, die bei staatlichen Investitionen wie etwa in marode Infrastruktur, Schulen oder Krankenhäuser dringend gebraucht werden.
DSTG-Bundesvorsitzender Florian Köbler kennt die vielen Tricks der systematischen Kassenbetrüger und weiß, wie der Betrug eingedämmt werden kann. Schon viele Monate vor den Koalitionsverhandlungen schärfte Köbler das Bewusstsein der Politik für Kassenbetrug in zahlreichen Gesprächen mit Vertretern aller demokratischer Parteien. Den Plänen der neuen Regierung aus CDU, CSU und SPD steht er positiv entgegen: „Der Koalitionsvertrag sendet endlich das Signal: Null Toleranz bei Finanzkriminalität. Nun gilt es die vereinbarten Ziele durch stimmige Maßnahmen konsequent umzusetzen.“
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Milliardenschwerer Kassenbetrug ohne Konsequenzen– Eldorado für kriminelle Gastronomen und Einzelhändler: Warum Trickser in Deutschland leichtes Spiel haben
Chance zur Wende: Steuersenkung, Kassenpflicht, digitale Bezahlmethode
„Wenn jeder mit Karte zahlen würde, wären die Steuereinnahmen sehr viel höher“, ist Köbler sicher. Laut Koalitionsvertrag sollen Kunden in Zukunft mindestens eine digitale Zahlungsoption haben. „Dass umsatzstarke Geschäfte auch eine digitale Zahlung annehmen müssen, schränkt nicht nur den Steuerbetrug deutlich ein, da jede digitale Zahlung den Geldfluss nachvollziehbar macht. Es ist auch praktisch für die Kunden. Ein WinWin für alle also!“
Der neue Koalitionsvertrag 2025 sieht außerdem vor, für Geschäfte mit einem jährlichen Umsatz von über 100.000 Euro ab dem 01.01.2027 eine Registrierkassenpflicht einzuführen. Außerdem soll ein reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Speisen in der Gastronomie kommen. Steuerlich ist das zwar unsystematisch, aber bietet aus Sicht von Köbler eine echte Chance, wenn gleichzeitig die Sicherheitsmaßnahmen erhöht werden.
„Nur wenn die Steuersenkung mit einer allgemeinen Registrierkassenpflicht und der verpflichtenden Akzeptanz mindestens einer digitalen Bezahlmethode verknüpft wird, entsteht ein Dreiklang, der echte Steuergerechtigkeit schafft. So können Mindereinnahmen durch höhere Compliance kompensiert werden.“
Blick nach Österreich: Was wir lernen können
Andere Länder machen es bereits erfolgreich vor, die Maßnahmen gegen Kassenbetrug greifen: In Österreich sorgen seit 2016 Registrierkassenpflicht und Beleglotterien für mehr Steuerehrlichkeit – ohne Grundrechte zu beschneiden. Köbler betont: „Der dortige Verfassungsgerichtshof hat klargestellt: Moderne Kassensysteme sind kein unverhältnismäßiger Eingriff, sondern Schutz des Steuerstaats. Dieses Urteil lässt sich 1:1 auf Deutschland übertragen.“
Fairness für alle – gleiche Regeln für jeden
„Die Stimmung in der Gesellschaft kippt längst: Warum soll ein Angestellter seine Lohnsteuer bis auf den Cent abführen, während manche Gastronomen ihre Umsätze im Nebel belassen?“ Köbler sieht in der geplanten Registrierkassenpflicht keinen Angriff auf Unternehmen, sondern ein Fairness-Anker für unsere Steuergemeinschaft. Ehrliche Betriebe – und davon gibt es viele – verdienen Schutz und einen fairen Markt.
Mythen entkräften: Digitalisierung ist kein Bürokratiemonster
Köbler sieht in der Angst vor Überbürokratisierung ein Scheinargument: „Jeder Kioskbesitzer nutzt heute ein Smartphone, moderne Kassensysteme sind längst Standard. Wer wie die Koalition eine Kassenpflicht ab 2027 plant, muss sie auch konsequent umsetzen. Und wer jetzt nicht mitspielt, dem gehört die Konzession entzogen.“
Auch das Argument, eine digitale Zahlpflicht sei ein Geschenk an VISA oder Mastercard, halte der Realität nicht stand. Im stationären Handel liegt deren gemeinsamer Marktanteil bei unter 13 %. Das wichtigste bargeldlose Zahlungsmittel bleibt die Girocard der deutschen Banken und Sparkassen – mit 7,9 Milliarden Transaktionen und 307 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2024, zu niedrigen Kosten von etwa 0,25 % des Zahlbetrags. „Wer digitale Zahlungen fordert, stärkt also vor allem ein bewährtes, günstiges und nationales System – und nicht die Interessen internationaler Kreditkartenanbieter“, so Köbler.
Jetzt handeln: Vertrauen schaffen, Fairness sichern
„Der Koalitionsvertrag sendet endlich das Signal: Null Toleranz bei Finanzkriminalität“, so Köbler. Jetzt gelte es, diese Linie mit gezielten Kontrollen zu untermauern und sich auf echte Risikofälle zu konzentrieren – nicht auf Rentner und Arbeitnehmer. „Dieses Maßnahmenpaket ist kein Knebelvertrag für Gastronomen, sondern ein Vertrauensvorschuss: Der Staat senkt Steuern, im Gegenzug garantieren digitale Zahlpflicht und Kassenpflicht mehr Transparenz.“
Videotipp: Investigative Recherche zu Kassenbetrug
Wie verbreitet Kassenbetrug ist, das zeigt auch die neuste Investigativrecherche. „Das sind leider keine Einzelfälle, sondern Symptome eines strukturellen Problems in der Branche“, so Köbler. Für einen Beitrag von RTL fühlte DSTG-Bundesvorsitzender Florian Köbler der Gastronomie in Brandenburg mit versteckter Kamera auf den Zahn. Die Erfahrungen sind ernüchternd: Während bei Kartenzahlungen eine ordentliche TSE-Rechnung ausgehändigt wird, erhalten Barzahlungen keine Belege oder lediglich unbebuchte Inforechnungen. Die Rechnungssumme wird auf dem Tablet oder Kartelesegerät kurz gezeigt und dann sofort gelöscht – als hätte es den Umsatz nie gegeben.