Milliardenschwerer Kassenbetrug ohne Konsequenzen
Eldorado für kriminelle Gastronomen und Einzelhändler: Warum Trickser in Deutschland leichtes Spiel haben
Das Bezahlen mit Karte ist praktisch und modern. Und doch bieten oftmals Geschäfte mit viel Laufkundschaft wie Imbissbuden oder Kioske keine Kartenzahlung an. Die Deutschen stört das kaum, schließlich zahlen etwa 30% noch immer am liebsten bar. Und auch der fehlende Kassenbon für Döner oder Currywurst ist den meisten Kunden schlicht egal. Was viele dabei jedoch nicht ahnen: Beides können Indizien für Kassenbetrug sein, der schätzungsweise bis zu 15 Milliarden Euro Schaden im Jahr verursacht.
Um Kassenbetrug zu erschweren, hat die Politik bereits mehrere Gesetze erlassen: Spätestens seit 2023 müssen alle elektronischen Kassen mit einer technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sein. Bereits 2020 wurde zusätzlich die Kassenbonpflicht eingeführt, die Händler mit elektronischem Kassensystem verpflichtet, für jeden Kauf einen Bon auszustellen. So können Steuerprüfer sicher sein, dass die Umsätze tatsächlich auf der TSE gespeichert werden. Davon ausgenommen sind offene Ladenkassen, wie sie noch häufig in kleinen Läden oder Marktständen verwendet werden.
Bargeldbetriebe: Berlin stellt 130-Jahre-Freifahrtschein aus
Doch die Betriebe wissen genau: Wo kein Kläger, da kein Richter. Die vorgesehenen Massenkontrollen von bargeldintensiven Betrieben blieben bislang aus, im Gegenteil: Von im Gesetzgebungsprozess 187.667 vorgesehenen Kassen-Nachschauen wurden bundesweit nur 11.717 Kontrollen in 2022 vorgenommen. Die Fahrlässigkeit zeigt sich besonders eindrücklich in der Hauptstadt Berlin: In Bargeldbetrieben wird nur durchschnittlich alle 130 Jahre eine Kassen-Nachschau durchgeführt, andere Bundesländer prüfen sogar noch seltener. Betriebe, die viel Bargeld einnehmen und betrugsanfällig sind, können quasi darauf wetten, nie einem Kassenprüfer zu begegnen.
Fazit des Bundesrechnungshofs ernüchternd
Das Fazit des Bundesrechnungshofes fällt wie erwartet ernüchternd aus: Die “Gefährdungslage für den gleichmäßigen Steuervollzug und die gleichen Marktverhältnisse” bestehe weiterhin, heißt es in einem Bericht vom Oktober 2023. Bereits in einem Urteil vom 16.09.2021 hatte der Bundesfinanzhof angedeutet, dass der Gesetzgeber entsprechende Regelungen zu spät erlassen habe, “obwohl das Problem der vollständigen Erfassung der Einnahmen im Bereich bargeldintensiver Betriebe seit langem bekannt war”, wie es in dem Urteil heißt.
Weiter führt das oberste Gericht aus, dass der Gesetzgeber in der Pflicht stehe, die offensichtlich bestehenden tatsächlichen Vollzugsprobleme bei der Besteuerung von Betrieben mit offenen Ladenkassen insbesondere im Bereich der Gastronomie sorgsam zu beobachten und alsbald zu prüfen, ob die seit 2016 ergriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen zu einer Verbesserung des Vollzugs auch in diesem Bereich geführt haben.
Ehrlichkeit zahlt sich im Wettbewerb nicht aus
„Das geringe Risiko, erwischt zu werden, lädt förmlich zu Kassenbetrug ein”, stellt DSTG-Bundesvorsitzender Florian Köbler klar. “Wenn ich der einzige Imbiss bin, der ehrlich versteuert, ist meine Currywurst doppelt so teuer wie bei den anderen.” Dieses Denken legitimiert den Betrug für manche Branchen regelrecht. Doch nicht nur die Umsatzsteuer wird hinterzogen. Mit unkontrolliertem Bargeld werden gerne auch Personal oder Lieferanten schwarz bezahlt – ohne Sozialabgaben und weitere Steuern abzuführen. Die DSTG und viele Kassenhersteller fordern daher die in anderen EU Ländern schon längst etablierte Registrierkassenpflicht, eine Bargeldobergrenze, aber auch eine verlässlichere Prüfpraxis.
Denn nur wenn das Prüfrisiko für jeden Betrieb eine reale Bedrohung ist, ist eine breite generalpräventive Wirkung gewährleistet. Eine systematische Risikoerkennung kann die Aufdeckung von Kassenbetrug zusätzlich unterstützen: Hierfür braucht es endlich die Einführung der im Gesetz vorgesehenen Datenbank, welche TSE Kassen im Einsatz sind. Jeder, der nicht meldet, macht sich verdächtig. Wurde hingegen ein TSE angemeldet, sinkt das Risiko je nach Branche. Apotheken gelten etwa als risikoarm, Imbisse als risikoreich. Zudem erläutert Köbler: “Entdeckt man ein manipuliertes System, wie die sogenannte Zwei-Schicht-Kasse, kann man gezielt alle Betriebe prüfen, die genau dieses System im Einsatz haben.”
Steuerbetrug bei Uhren, Schmuck und Autos: Die DSTG fordert eine Bargeldobergrenze
Im Gegensatz zu Imbissbuden können Betriebe im mittleren und gehobenen Preissegment auf einen Schlag viel Geld hinterziehen. Denn wenn anonyme Bargeldzahlungen an Juweliere und Gebrauchtwagenhändler schwarz getätigt werden, ist das für Kontrolleure nicht erkennbar – Geldwäscher und Betrüger haben leichtes Spiel. Die DSTG fordert daher eine Bargeldobergrenze von 1.000 €. “Die geplante EU-Obergrenze greift zu kurz. Steuerbetrug findet auch bzw. gerade im Preissegment unter 10.000 € statt. Hier muss die Politik zügig handeln. Es darf keine Grauzonen geben”, so Köbler.
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